Ganz großes Fischkino: Applaus für den Karpfen

23.05.2025 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion

Karpfen – der ist doch nur was für Weihnachten? Von wegen! Der Waldviertler Karpfen hat so einiges zu bieten: nachhaltige Zucht, geniale Wasserwirtschaft und eine jahrhundertealte Tradition. Und jetzt wurde die Waldviertler Karpfenteichwirtschaft sogar zum landwirtschaftlichen Weltkulturerbe erhoben, wir gratulieren herzlichst!

Wie das alles zusammenhängt, warum der Karpfen klimafreundlich ist und welchen Nutzen Teiche abseits der Fischzucht haben, verrät Leo Kirchmaier. Der Geschäftsführer des Niederösterreichischen Teichwirteverbands nimmt dich mit in die faszinierende Welt der Waldviertler Karpfenteichwirtschaft …

 

Land schafft Leben: Fangen wir bei den Basics an. Was ist eigentlich ein (Karpfen-)Teich?

Leo Kirchmaier: Anders als ein See ist ein Teich ein von Menschen geschaffenes System. Teiche sind ablassbar und in der Regel sehr flach. Typisch ist außerdem eine gewisse Wassertrübe im Teich – also absolut nicht zu vergleichen mit einem kristallklaren Bergsee. Für die Fischzucht muss ein Teich im Sommer eine gewisse Trübe haben. Der Karpfen sucht nämlich im Teichgrund nach Nahrung und trübt dadurch selbst das Wasser ein. 

Land schafft Leben: Im Mai wurde die Waldviertler Karpfenteichwirtschaft von der  Welternährungsorganisation (FAO) ausgezeichnet – eine internationale Anerkennung dafür, wie im Waldviertel Teiche bewirtschaftet werden. Wie kam es dazu und worauf wurde bei der Auszeichnung geschaut?

Leo Kirchmaier: Genau, wir haben über fünf Jahre lang dafür gearbeitet und sind stolz, dass wir das geschafft haben – als erstes landwirtschaftliches Weltkulturerbe Niederösterreichs und einziges ausgezeichnetes Aquakultursystem Europas. Man kann das ein bisschen mit der Auszeichnung von UNESCO-Kulturerbestätten vergleichen, nur geht es eben um Landwirtschaft. Wichtig ist dabei, dass ein Lebensmittel produziert wird, also dass zur Lebensmittelproduktion und Existenzsicherung beigetragen wird.

Land schafft Leben: Gratuliere! Verrate uns doch, wie eng das Waldviertel und die Fischzucht verbunden sind. 

Leo Kirchmaier: Im Waldviertel gibt es ganze Teichketten, so nennt man das, wenn ein Teich nach dem anderen liegt. Von sehr kleinen mit nur 0,2 Hektar bis hin zu Teichen mit 60 Hektar ist da alles dabei. Die Fläche der Gewässer spielt in der Bewirtschaftung eine große Rolle, ähnlich wie in der Landwirtschaft. Das heißt: Je mehr Fläche ich in der Teichwirtschaft habe, desto mehr Fisch kann ich produzieren. Die Teichwirtschaft im Waldviertel hat eine lange Tradition. In unserer Region haben wir Teiche, die nachweislich seit über 900 Jahren bewirtschaftet werden. 

Land schafft Leben: Was macht den Karpfen so besonders und wertvoll?

Leo Kirchmaier: Ich sage immer: Nichts ist genialer als der Karpfen. Er steht in der Nahrungskette ziemlich weit unten – das nennt man „low trophic“. Das heißt, er braucht nicht viele Ressourcen, um zu wachsen. Etwa die Hälfte seiner Nahrung holt er sich nämlich direkt aus dem Teich, zum Beispiel in Form von Plankton oder kleinen Tieren am Teichboden. Die andere Hälfte bekommt er von außen zugeführt, meist ist das eine Mischung aus Getreide. Diese Ernährungsweise macht ihn besonders nachhaltig.

Land schafft Leben: Da spielt sich also einiges mehr ab als man auf den ersten Blick sieht, oder?

Leo Kirchmaier: Ja, Teiche sind weit mehr als nur Gewässer zur Fischaufzucht. In unserer Kulturlandschaft brauchen wir immer mehr Fläche – für Infrastruktur, Verkehr, fürs Wohnen und Einkaufen, aber auch für die Landwirtschaft. Dabei gehen natürliche aquatische Lebensräume verloren. Genau hier kommen Teiche ins Spiel: Sie übernehmen die Rolle, die früher Fließgewässer hatten – als Rückzugsort für viele Tierarten. Auch wenn Teiche von Menschen gemacht sind, bieten sie wertvolle Ersatzlebensräume. Ohne sie gäbe es viele dieser dort vertretenen Arten gar nicht mehr. Dass viele Teiche Naturschutzgebiete sind hat also einen guten Grund.

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